Die Zeit läuft
03.03.2023
Text: Brigitte Bonder; Fotos: Adobe Stock/sewcream, Adobe Stock/doucefleur, Adobe Stock/lordn, Adobe Stock/Prostock-studio
Ein Schlaganfall kann tödlich sein und muss schnellstens behandelt werden. Plötzlich auftretende Sehstörungen, Sprachprobleme oder Lähmungen können auf diesen lebensbedrohlichen Infarkt im Hirn hinweisen. In diesem Fall geht es um jede Minute, denn bei einem Schlaganfall wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. In der Folge sterben Gehirnzellen rasch ab. Daher sollte bei jedem Verdacht auf einen Schlaganfall sofort der Rettungsdienst alarmiert werden.
Verstopfte Gehirnarterie als häufigste Ursache für Schlaganfall
„Die meisten Schlaganfälle sind ischämisch bedingt, das heißt sie entstehen aufgrund einer Minderdurchblutung bei Verschluss oder Verengung einer Gehirnarterie“, erklärt Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Die Hirnregion, die vom betroffenen Gefäß versorgt wird, wird in Folge nicht mehr ausreichend durchblutet. Dadruch entstehen die typischen Symptome und ‚Ausfälle‘ wie der Verlust der Sprachfähigkeit oder Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungen.“
Auslöser eines Schlaganfalls sind zumeist Blutgerinnsel aus dem Herzen oder verkalkten Gefäßen. Sehr viel seltener sind Hirnblutungen, sogenannte hämorrhagische Schlaganfälle. „Sie führen zu den gleichen Symptomen“, betont Professor Berlit. „Der Ausfall des Hirnareals entsteht hierbei jedoch, weil ein Gefäß geplatzt ist und die Blutung das Gewebe schädigt. Darüber hinaus kann der Druck des ausgelaufenen Bluts auf das Gehirn die Symptome noch verschlimmern.“
Schlaganfall-Symptome ernst nehmen
Derzeit erleiden in Deutschland rund 270 000 Menschen pro Jahr einen Schlaganfall. Diese Zahl soll aktuellen Forschungen zufolge bis zum Jahr 2040 um 30 Prozent steigen. Das ist kritisch, da der Schlaganfall zu den häufigsten Ursachen für Behinderungen bei Erwachsenen zählt. Eine schnelle Behandlung hat daher oberste Priorität. Ersthelfer sollten den FAST-Test anwenden und überprüfen, ob die Betroffenen unter Lähmungen oder Sprachstörungen leiden. „Auch Sehstörungen, Sprachverständnisstörungen, Taubheitsgefühl, Schwindel oder plötzliche Gangunsicherheit, ebenso Verwirrtheitszustände und schwere Kopfschmerzen können vorkommen“, erklärt Professor Berlit. „Bei einer transitorischen ischämischen Attacke, auch Mini-Schlaganfall genannt, verschwinden die Symptome nach kurzer Zeit von selbst wieder. Als Schlaganfall-Vorbote sind die Symptome aber ebenso ernst zu nehmen wie ein ‚richtiger Schlaganfall‘.“
Chirurgische und medikamentöse Therapien nach einem Schlaganfall
Im Krankenhaus lässt sich der Schlaganfall mit bildgebenden Verfahren wie dem MRT oder CT sicher nachweisen. Eine Unterscheidung zwischen Ischämie und Blutung ist ebenso möglich wie die Einschätzung von Ausmaß und Schwere des Schlaganfalls. Weiterhin ist erkennbar, wie lange die Minderdurchblutung schon besteht. Die Information ist wichtig, um die richtige Therapie wählen zu können. Diese muss dann so schnell wie möglich beginnen, um die Hirndurchblutung und damit die Sauerstoffversorgung wiederherzustellen, damit es nicht zu bleibenden Schäden kommt. „Die häufigste Therapie ist die medikamentöse Auflösung des Gerinnsels, also eine intravenöse Thrombolyse“, klärt der Experte auf. „Sie sollte nach Möglichkeit binnen vier, fünf Stunden erfolgen.“ Beim Verschluss großer Gefäße ist in der Regel ein Gefäßkatheter-Eingriff zur Gerinnselentfernung die Therapie der Wahl, oft auch kombiniert mit der Thrombolyse. Bei hämorrhagischen Schlaganfällen, also Hirnblutungen, kann eine Operation notwendig werden.
Die Akutbehandlung in der Klinik erfolgt auf einer Stroke Unit, der Schlaganfall-Spezialstation. Dort wird bereits mit einer frühen Rehabilitation begonnen, die nach der Akutphase fortgesetzt wird, um Folgeschäden zu minimieren. Darüber hinaus werden viele Betroffene weiter ambulant behandelt, beispielsweise mit Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. „Wichtig ist außerdem die lebenslange Prophylaxe weiterer Schlaganfälle durch Behandlung aller Schlaganfall-Risikofaktoren“, klärt Prof. Berlit auf. „Denn wer einen Schlaganfall hatte, hat ein hohes Risiko für Folgeschlaganfälle, insbesondere im ersten Jahr danach.“
Risikofaktoren eines Schlaganfalls erkennen
Zu den klassischen Risikofaktoren, die zu Arteriosklerose und zu Gefäßereignissen führen, gehört an erster Stelle der Bluthochdruck. Dieser verursacht zunächst keine Beschwerden und schädigt unbemerkt die Gefäße. Mehr als die Hälfte aller Schlaganfälle wäre durch eine konsequente und dauerhafte medikamentöse Blutdruckeinstellung vermeidbar. Weitere Faktoren sind ebenfalls gut vermeid- oder behandelbar. Dazu zählen Rauchen, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus Typ 2, hoher Alkoholkonsum und psychosozialer Stress.
Auch unerkannte Herzrhythmusstörungen oder die Verengung einer Halsschlagader sind häufige Schlaganfallursachen, wenn sie unbehandelt bleiben.
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat einen Online-Risikotest entwickelt. Hier können Interessierte kostenlos in bis zu 15 Minuten erfahren, wie wahrscheinlich ein Schlaganfall ist. Das Profil wird mithilfe medizinisch-wissenschaftlicher Grundlagen ermittelt. Je mehr Daten angegeben werden – dazu gehören Alter, Größe, Gewicht und Geschlecht, Vorerkrankungen und Lebensgewohnheiten und idealerweise auch Blut-, Cholesterin- und Blutzuckerwerte – desto genauer fällt das Testergebnis aus. Zum Online-Risikotest der Deutschen Schlaganfall-Hilfe geht es hier.
Checkliste: So erkennst Du einen Schlaganfall
Typische Symptome eines Schlaganfalls sind:
- Lähmungen
- Sprach-, Seh- oder Sprachverständnisstörungen
- Taubheitsgefühl
- Schwindel oder plötzliche Gangunsicherheit
- Verwirrtheitszustände
- schwere Kopfschmerzen
Erkennen lässt sich ein Schlaganfall mit dem FAST-Test. Die Abkürzung steht für Face, Arms, Speech und Time. Teste, ob der Betroffene folgendes kann:
- Lächeln: Ist das Gesicht asymmetrisch oder hängen die Mundwinkel? Das kann auf eine Halbseitenlähmung hinweisen.
- Die Arme nach vorn auf Schulterhöhe heben und die Handflächen nach oben drehen: Hat er/sie Probleme damit? Das kann auf Lähmungen oder Muskelschwäche hinweisen.
- Einen einfachen Satz nachsprechen: Klappt das nur mit Fehlern und klingt die Stimme verwaschen? Es kann eine Sprachstörung vorliegen.
Bei diesen Beschwerden muss sofort der Notruf gewählt werden – denn bei einem Schlaganfall geht es immer um „Time“, also Zeit.
Hier kannst Du die Infografik als PDF herunterladen: Download Infografik FAST-Test