Männergesundheit: Helden in Not
Fotos: Alamy Stock Cum Okolo, Ivan Chiosea, RooM the Agency, Serafino Mozzo Text: Stephanie Arns
Männer leben ungesünder und sterben früher als Frauen. Auch das Thema Vorsorge schieben sie oft vor sich hin. Warum achtet das „starke Geschlecht“ so wenig auf seine Gesundheit?
Männer kümmern sich mehr um ihr Auto als um sich selbst? An diesem Klischee könnte etwas dran sein. Die Statistik spricht für sich: Männer leben im Schnitt fünf Jahre kürzer als Frauen, erleiden drei Mal häufiger einen Herzinfarkt, erkranken wesentlich öfter an Diabetes und Krebs. Die Genetik ist nicht schuld. Männer haben die gleichen biologischen Voraussetzungen wie Frauen. Die „Klosterstudie“, ein Forschungsprojekt zur Lebenserwartung von Brüdern und Schwestern in der Einsiedelei zeigt: Bei ähnlichen Lebensverhältnissen erreichen beide Geschlechter das gleiche Alter.
Was ist also verantwortlich für die schlechte Männergesundheit im „echten“ Leben? Der risikoreichere Lebensstil? Fakt ist: Männer rauchen und trinken mehr als Frauen, sie ernähren sich ungesünder, bewegen sich weniger und setzen sich mehr Stress aus. „Es gibt nicht die eine Antwort“, sagt Olaf Theuerkauf, Vorsitzender der Stiftung Männergesundheit. Männer unterschätzten die Folgen dieser ungesunden Lebensweise. „Sie haben ein anderes Erleben und andere Muster mit Gesundheit und Krankheit umzugehen.“ Das habe sehr viel mit dem eigenen Selbstbild zu tun. „Viele halten sich schlichtweg für unverwundbar.“ Eine Fehleinschätzung, denn Männer sind nicht weniger verletzlich als Frauen. Sie gestehen sich dies oft nur nicht ein, was auch mit dem gesellschaftlichen Rollenverständnis des starken Geschlechts zu tun haben mag.
„Männer sind von vielen Wölfen getrieben“, weiß Theuerkauf. Sie wollten alles perfekt erledigen, sich beweisen. „Ob sie nun frisch verliebt sind oder einen neuen Job antreten.“ Gerade im Beruf würden sie Belastungen oft zu lange aushalten, bevor sie Grenzen ziehen – sie definierten sich eben stark über Leistung und Erfolg. „Sie sollten sich jedoch öfter die Frage stellen, worum es im Leben wirklich geht.“ Ein wesentlicher Faktor für das körperliche Wohlergehen sei die psychische Verfassung. „Das wissen auch die Kardiologen, die nach einem Herzinfarkt nicht nur fragen, ob und wieviel der Patient raucht und trinkt, sondern auch, ob er glücklich ist.“ Auch der Umgang mit Krisen fällt den meisten Männern schwer. Das zeigt sich dann an den oft fatalen Folgen von Depressionen – diese führen drei Mal häufiger als bei Frauen zum Suizid.
Experten des Robert Koch-Instituts kommen im Männergesundheitsbericht 2014 zu dem Schluss, dass Männer ihre Gesundheit häufig als sehr gut einschätzen – dabei körperliche Symptome jedoch anders bewerten als Frauen. Zum Arzt gehen sie oft erst, wenn ihnen etwas weh tut oder es unbedingt sein muss. Und dann ist es häufig schon zu spät. „Einen hohen Blutdruck oder Übergewicht spürt man eben nicht,“ so Theuerkauf. Doch die Folgen können gravierend sein: Herzinfarkt, Schlaganfall, Niereninsuffizienz, Diabetes. Den meisten seien auch ihre genetischen Risiken gar nicht bewusst. Sie sollten Erkrankungen in ihrer Herkunftsfamilie ernster nehmen, rät der Experte. „Doch auch hier sind Männer Meister der Verdrängung.“
Familiäre Vorbelastungen seien wichtige Hinweise bei gezielten Routineuntersuchungen. Doch das Thema Vorsorge ist für Männer ohnehin ein rotes Tuch, nicht nur beim Gang zum Urologen. Experten schätzen, dass auch bei geschlechtsunabhängigen Krankheiten lediglich jeder fünfte Mann regelmäßig zur Vorsorge geht. Warum bringen Männer lieber ihr Auto zum TÜV, als zum Arzt zu gehen? „Schon allein die oft langen Wartezeiten auf einen Termin steigern ihr Angstgefühl.“ Männer hätten generell ein anderes Angstmanagement als Frauen. Bei einer Krebsdiagnose etwa würden sie sich geschockt zurückziehen und nicht darüber reden.
Die Stiftung Männergesundheit, so Theuerkauf, wolle daher aufrütteln: Männer sollten sich ernsthaft die Frage stellen, wie sie mit ihrer Gesundheit umgehen – und wie ihr Leben somit im Alter verlaufen wird: „Möchte ich dann eine Kreuzfahrt machen, mit dem Rollator unterwegs sein oder gar schon in der Kiste liegen?“ Das mag provokant klingen, letzteres ist jedoch traurige Realität. Denn beim Übergang von der Erwerbstätigkeit zur Rente erwischt es die Männer mit dem „plötzlichen Pensionärstod“ besonders schlimm. Welche Faktoren hier zusammenspielen, wird der nächste Männergesundheitsbericht unter die Lupe nehmen. Doch es gibt Hoffnung: „Die junge Männergeneration denkt um“, weiß Theuerkauf. Ein gesunder Lebenswandel werde immer wichtiger. „Work-Life-Balance zählt mittlerweile mehr als ein Dienstwagen.“
Typische Männerkrankheiten und ihre Warnsignale
Der Herzinfarkt ist die Todesursache Nummer eins bei Männern. Wer unter Bluthochdruck, Übergewicht und Arterienverkalkung leidet, hat ein erhöhtes Risiko. Typische Warnsignale im Frühstadium sind Herz-Kreislaufprobleme oder auch Erektionsstörungen. Im akuten Zustand: Druckgefühl in Brust, Schulter, Arm oder Oberbauch, Übelkeit, Unruhe, Schweißausbrüche, Atemnot.
Beim Schlaganfall gelten ähnliche Risikofaktoren und Frühsymptome wie beim Herzinfarkt. Ein Schlaganfall kündigt sich zudem häufig durch eine vorübergehende Minderdurchblutung des Gehirns an, die zu Schwindel, Sprach- und Sehstörungen, Taubheitsgefühlen oder Lähmungen führen kann.
Prostatakrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen unter Männern. Bei Problemen und Schmerzen beim Wasserlassen, Blut im Urin oder Erektionsstörungen sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Darmkrebs betrifft rund 20 Prozent mehr Männer als Frauen. Die Frühsymptome wie Müdigkeit, blasse Haut, Gewichtsverlust sind oft unspezifisch. Deutliche Warnsignale sind Blut im Stuhl, Wechsel von Durchfall und Verstopfung, Blähungen und Bauchschmerzen.
An Diabetes erkranken doppelt so viele Männer wie Frauen. Wer häufig Wasserlassen muss, starke Durstgefühle hat, müde und infektanfällig ist, Gewicht verliert und Probleme mit der Haut und Wundheilung hat, sollte diese Zeichen ernst nehmen und einen Arzt konsultieren.
Depressionen werden bei Männern oft nicht als solche erkannt, da diese gerne mit Ausgleichsstrategien wie exzessiven Sport oder einem erhöhten Arbeitspensum darüber hinwegtäuschen. Die Betroffenen sind ruhelos und stressanfällig, reagieren gereizt, schlafen schlecht und sind erschöpft.
Vorsorgeuntersuchungen für Männer
Ab 35 Jahren: Alle drei Jahre Gesundheitscheck zur Früherkennung von Nieren-, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes.
Ab 45 Jahren: Jährliche Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Genitalien und Prostata.
Ab 50 Jahren: Jährliche Stuhluntersuchung zur Darmkrebsfrüherkennung oder Darmspiegelung (insgesamt Anspruch auf zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren).
Ab 55 Jahren: Alle zwei Jahre Stuhluntersuchung oder zwei Darmspiegelungen (insgesamt zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren).
Über 65 Jahre: Einmalige Ultraschalluntersuchung zur Früherkennung von Aneurysmen der Bauchschlagader.