Zu viel Kalorien, zu wenig Bewegung
Interview: Katrin Lange | Foto: Robert Bosch GmbH
Knapp 17 Prozent der Deutschen sind übergewichtig. Sie nehmen zu viele Kalorien zu sich und bewegen sich kaum. „Im Blick“ sprach mit Dr. Falko Papenfuß über Ursachen, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten von Adipositas.
Im Blick: Was genau ist Adipositas? Und welche Ursachen hat sie?
Falko Papenfuß: Adipositas ist starkes Übergewicht. Menschen, die an Adipositas erkranken, führen sich durch das Essen mehr Energie zu, als sie verbrauchen. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Unsere Nahrung hat häufig eine zu hohe Kaloriendichte, also zu wenig Ballaststoffe oder Wasser. Und die Menschen bewegen sich zu wenig. In den Schulen wird viel gesessen, unsere Freizeit verbringen wir vor dem Bildschirm statt auf dem Fußballplatz. Dieses Verhalten zieht sich von der Schule durch Studium oder Ausbildung hindurch bis in das Berufsleben.
Warum steigt die Anzahl der Betroffenen so dramatisch an?
Früher sind die Menschen mehr gelaufen oder Fahrrad gefahren. Heute werden schon die Kinder oft mit dem Auto zur Schule gefahren. Und Kinder, die nicht rennen und herumtoben, können ihre Bewegungen nicht gut koordinieren. Diese Verhaltensmuster erhöhen das Risiko, starkes Übergewicht zu entwickeln.
Welche Folgen hat Adipositas?
Das sind Volkskrankheiten wie Arthrose mit Gelenkverschleiß durch das höhere Gewicht und die geringe Bewegung. Das Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, steigt. Wir beobachten vermehrt Bluthochdruck und sogar Tumorerkrankungen. Ein weiteres Problem sind psychische Erkrankungen wie Depressionen.
Spielen soziale Aspekte eine Rolle?
In der Tat. Für extrem übergewichtige Menschen ist es zum Beispiel schwierig, in Mannschaftssportarten erfolgreich zu sein. Mangelnde Erfolge und Leistungen führen dazu, dass die Betroffenen ausgegrenzt werden oder sich zurückziehen – ein Teufelskreis.
Wo genau ziehen Sie die Grenze zwischen Übergewicht und Adipositas?
Übergewicht beginnt bei einem Body-Mass-Index ab 25, ab einem BMI von 30 sprechen wir von Adipositas – wobei wir auch die körperliche Konstitution berücksichtigen müssen. Arnold Schwarzenegger hat bestimmt einen BMI von über 30, ist aber sicher nicht adipös.
Warum wird Adipositas oft als Folge von Willensschwäche verharmlost?
Vielleicht liegt es daran, dass Adipositas wie Trinken oder Rauchen als persönlich beeinflussbar, also nicht als schicksalhaft wahrgenommen wird. Da tut man den Betroffenen oft unrecht: Vielen Kindern werden gute Ernährungsformen nicht mehr vorgelebt. Außerdem spielt Veranlagung eine große Rolle. Mit Willensschwäche hat beides nichts zu tun.
Zu welchen Beeinträchtigungen führt Adipositas im Berufsleben?
In extremen Fällen können bestimmte Berufe gar nicht ausgeübt werden. Aber die meisten Beeinträchtigungen entstehen durch die Folgeerkrankungen. Ältere Menschen können auch Schlafstörungen entwickeln, weil sie wegen des Übergewichts im Schlaf Atemprobleme haben. Das führt unter anderem zu Konzentrations- und Leistungsschwächen im Beruf.
Kommen die Betroffenen mit ihren Problemen zu Ihnen?
Die meisten kommen nicht wegen ihrer Adipositas zu uns, sondern wegen der Folgeerkrankungen. Wir setzen aber auch auf Prävention. In unseren Arbeitskreisen arbeiten wir zudem mit den Kantinenchefs an unseren Standorten zusammen. So wird in manchen Kantinen kostenfreies Wasser angeboten, damit weniger zuckerhaltige Getränke konsumiert werden.
Wie sieht es dann aus mit Currywurst und Pommes?
Das ist das beliebteste Essen. Solange man sich ausreichend bewegt und das nicht jeden Tag isst, ist da gar nichts gegen einzuwenden. Man sollte nur wissen: Man muss eine Stunde rennen, um diese Kalorien wieder abzubauen.
Was empfehlen Sie Bosch-Mitarbeitern, die abnehmen wollen?
Das beginnt mit den Gruppenprogrammen wie den Weight Watchers, die wir mit der Bosch BKK an den Standorten veranstalten. Da kann jeder teilnehmen. Für stark übergewichtige Bosch-Beschäftigte mit Folgeerkrankungen haben wir das AdéPositas-Programm entwickelt. Und wir verweisen an Fachärzte und Spezialisten, die Adipositas-Patienten qualitätsgesicherte Therapien anbieten, deren Wirksamkeit erwiesen ist.
Braucht es auch psychologische Begleitung, damit eine Verhaltensänderung erreicht werden kann?
Unbedingt. Schon in unseren Weight-Watchers-Gruppen erlernen die Teilnehmer Strategien zur Verhaltensänderung und den Umgang mit Rückfällen. Wichtig ist, dass sie nicht den Mut verlieren und aufgeben.
Weitere Informationen:
Hier finden Sie weiterführende Informationen:
Neue Betreuungsangebote in Baden-Württemberg
Ob Adipositas, Diabetes oder Herzschwäche: Chronische Erkrankungen beeinflussen die Lebensqualität und verursachen oft Folgeerkrankungen. Das Hausarztprogramm in Baden-Württemberg bietet jetzt eine noch intensivere Betreuung.
Neu in Baden-Württemberg ist ein Angebot für Adipositas-Patienten mit einem BMI von 30 oder höher. Ernährungs- und bewegungstherapeutische Programme sollen ihnen helfen, ihr Gewicht zu senken oder zu stabilisieren. Eine kontinuierliche Begleitung stärkt ihre Motivation.
„VERAH TopVersorgt“ richtet sich an Versicherte in Baden-Württemberg, die an einer schweren Herzinsuffizienz oder an Diabetes Typ 2 mit Folgeerkrankungen leiden. Zusätzlich zu ihrem Hausarzt steht ihnen kontinuierlich eine speziell fortgebildete Fachangestellte zur Seite: die Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis, kurz VERAH. Sie kann die Medikamenteneinnahme mit dem Patienten durchsprechen, auf Wunsch die Angehörigen einbinden oder über Präventionsangebote informieren.