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Der kluge Bauch – unser zweites Gehirn

Mikrobiom

Text: Julia Alber; Illustrationen: Katharina Bitzl

Unser Darm und das Mikrobiom. Wie der Darm aufgebaut ist, was das Mikrobiom ist und wie wir es stärken können.

Der Darm – erstaunlich groß

Man mag es nicht glauben, aber allein schon in seiner Größe ist der Darm beeindruckend: Mit rund sieben Meter Länge kann er aufwarten. Auf den Magen folgen Dünndarm, Dickdarm und Enddarm. Wären all die feinen Zotten des menschlichen Darms aufgefaltet, präsentierte er sich in der Größe eines Tennisplatzes. Im Dünndarm wird die Nahrung verdaut und in einzelne Bestandteile zerlegt. Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette, Vitamine, Salze und Wasser können anschließend in das Blut aufgenommen werden. Weiteres Wasser wird dem Stuhl im Dickdarm entzogen. Überaus wichtig: In der Darmschleimhaut sitzt ein Großteil der Abwehrzellen des Immunsystems. Und überaus spannend: Der Dickdarm ist Wohn- und Arbeitsstätte einer ganz besonderen Lebensgemeinschaft, des Mikrobioms. Auch Darmflora genannt, setzt es sich aus Billionen von Mikroorganismen zusammen.

Das Mikrobiom – beeindruckende Darm-WG

„Circa zwei Kilogramm Darmbakterien beherbergt jeder Mensch“, erzählt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Stefanie Ackermann. Obwohl die zertifizierte Ernährungstherapeutin und Mitinhaberin der Oishii Ernährungscoaching GbR viel über den Darm referiert, ist sie noch immer stark von ihm beeindruckt. „Bakterien sind nicht per se schlecht für den Menschen“, erklärt sie. „Ein buntes, vielfaltiges Mikrobiom ist gar überlebenswichtig für uns.“ Die Mikroben zerlegen unverdauliche Ballaststoffe, halten unsere Darmzellen intakt, sie produzieren Vitamine und Hormone und fungieren als Trainingspartner des Immunsystems. Die guten Darmkeime konkurrieren mit Krankheitserregern um Platz und Nahrung und verhindern so, dass diese sich „breitmachen“. Das Mikrobiom passt sich in seiner Zusammensetzung der Ernährung an. „Denken Sie beim Essen ruhig mal an Ihre Darmbewohner wie an ein Haustier, das es zu futtern gilt“, rat Dr. Ackermann. Wer auf viel Fast Food setzt, zuckerhaltige Lebensmittel bevorzugt und ballaststoffarm isst, lässt in seiner Darm-WG die „guten“ Darmbakterien hungern. Schlechte Faulnisbakterien können sich dann ausbreiten. Das feine Gleichgewicht der Lebensgemeinschaft wird nicht nur durch falsches Essen gestört. Auch Medikamente, speziell Antibiotika, oder ständiger Stress bringen es durcheinander.

Das Mikrobiom durch Ernährung verbessern

Für den richtigen Artenreichtum im Darm sorgt eine abwechslungsreiche Ernährung mit frischem Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkornprodukten. Auch etwa Artischocken, Chicorée, Knoblauch, dunkle Schokolade, grüner Tee und schwarzer Kaffee tragen zum Wohlergehen der WG-Bewohner bei. „Mit dem täglichen Verzehr probiotischer Nahrungsmittel, die natürlicherweise Mikroorganismen enthalten, wie zum Beispiel Naturjoghurt, Kefir, Buttermilch oder auch ungekochtes Sauerkraut, kann man seiner Darm-WG regelmäßig neue Mitbewohner zukommen lassen“, führt die Ernährungsexpertin aus. Rund um das Mikrobiom wird viel geforscht. So beeinflusst die Zusammensetzung der Bakterien-WG das Körpergewicht und spielt eine große Rolle bei Übergewicht. Forscher sehen zudem einen Zusammenhang mit Diabetes und Arterienverkalkung. Veränderungen der Bakterienzusammensetzung werden auch im Hinblick auf eine mögliche Rolle bei psychischen und neurodegenerativen Erkrankungen untersucht, wie etwa Alzheimer, Multiple Sklerose, Parkinson oder Depressionen. Beim Darm an den Kopf zu denken, ist gar nicht so abwegig.

Darmbakterien und Ernährung
Das Mikrobiom kann durch die richtige Ernährung gestärkt werden.

Wenn der Bauch mitfühlt

Tatsächlich gibt es ein Bauchgehirn. Dieses ist etwa für die „Schmetterlinge im Bauch“ verantwortlich oder dass einem Stress auf den Magen schlägt. Das aus Millionen von Nervenzellen bestehende Nervengeflecht liegt zwischen den Muskelschichten der Darmwand. Experten reden vom enterischen Nervensystem.

Ähnlich dem Gehirn aufgebaut, reguliert es die Verdauung, kontrolliert die Darmbewegungen und reagiert auf Emotionen und Stress. Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse steht das „zweite Gehirn“ des Menschen mit dem Gehirn im Kopf in stetem Austausch. Interessanterweise ist die Kommunikation etwas einseitig – rund 90 Prozent der Informationen gehen vom Magen-Darm-Trakt an das Gehirn. Das Bauchgehirn hat allerdings auch wirklich viel nach oben zu melden. So warnt es gegebenenfalls vor Giftstoffen in der Nahrung, schlägt bei Unverträglichkeiten Alarm, meldet Schmerzen oder Unregelmäßigkeiten im Darm. Während des Essens informiert es über das Sättigungsgefühl und sorgt für eine Anpassung des Blutzuckerspiegels. „Der Informationsaustausch erfolgt unter anderem über den Vagusnerv“, sagt Stefanie Ackermann. „Dieser Gehirnnerv zieht wie eine Nervenautobahn vom limbischen System, unserem Emotionszentrum, zum Darm ‒ so erklärt sich auch, weshalb uns Situationen auf Magen und Darm schlagen können oder wir von unserem Bauchgefühl reden.“

Darm-Hirn-Achse Vagusnerv
Unsere Darmbakterien kommunizieren mit uns – höre auf Dein Bauchgefühl.

Wenn der Darm rumort...

Bei Bauchschmerzen, Durchfall und Verstopfung können Hausmittel wie Wärme, Kräutertees oder Leinsamen helfen. „Halten die Beschwerden an, ist es wichtig, den Arzt aufzusuchen, und das nicht nur, um etwa Darmkrebs auszuschließen“, betont Dr. Ackermann. So ist etwa eine Ernährungsumstellung bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten wichtig. Beispielsweise bei der Laktoseintoleranz, bei der Milchzucker nicht richtig verdaut werden kann, oder auch einer Zöliakie, bei der das in Getreide enthaltene Gluten Entzündungen der Darmschleimhaut hervorruft. Zertifizierte Ernährungsfachkräfte können hierbei gut unterstützen. Eine frühe Therapie kann auch den Verlauf der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa positiv beeinflussen, bei der es zu Entzündungen der Schleimhaut von End- und Dickdarm kommt. Und wer unter dem sogenannten Reizdarm- Syndrom leidet, das derzeit als eine Störung der Darm-Hirn-Achse gesehen wird, kann, richtig behandelt, seine Beschwerden wieder in den Griff bekommen.

Unsere Expertentipps

  • Bei anhaltenden Darmproblemen den Arzt aufsuchen
  • Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung
  • Wenig Zucker und Konservierungsmittel
  • Entspannung

Dr. Stefanie Ackermann

(bekannt aus der SWR-Sendung „Kaffee oder Tee“) ist Diplom-Ernährungswissenschaftlerin aus Leidenschaft und Mit-Geschäftsführerin der Oishii Ernährungscoaching GbR. „Oishii“ bedeutet auf Japanisch „Lecker! Es schmeckt mir!“. Genau das ist der erfahrenen Ernährungsexpertin sehr wichtig – daher referiert sie mit Herz, Hirn und Humor anstatt erhobenem Zeigefinger. Auch für die Bosch BKK bietet Dr. Ackermann den zehnwöchigen Online-Kurs „Abnehmen mit dem SUPER LECKER, SATT UND GUT GELAUNT-PRINZIP“ an.

Hier geht es zum Online-Abnehmkurs

Dr. Stefanie Ackermann
„Alltagstaugliches Fachwissen statt theoretischem Blabla“ – Dr. Stefanie Ackermann, Mit-Geschäftsführerin der Oishii Ernährungscoaching GbR.