Gegen hohes Cholesterin lässt sich etwas tun
11.04.2023
Autorin: Nicole Spiegelburg; Fotos: Adobe Stock/Valerii, Adobe Stock/didesign, Adobe Stock/Chinnapong
Hand aufs Herz: Wann hast Du zuletzt Deinen Cholesterinwert bestimmen lassen? Du kennst ihn gar nicht? Dann geht es Dir wie den allermeisten Deutschen. Etwa ein Drittel der Erwachsenen hierzulande hat erhöhte Blutfettwerte, doch nur die Hälfte davon weiß es. Dabei ist die Studienlage eindeutig: Ein erhöhter Cholesterinspiegel im Blut kann zu gefäßverengenden Ablagerungen in den Arterien führen, der sogenannten Arteriosklerose, und die wiederum kann Herzinfarkte und Schlaganfälle auslösen.
Um aber gleich mit einem verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Cholesterin ist nicht per se etwas Schlechtes oder Böses, ganz im Gegenteil. Cholesterin ist ein lebenswichtiger Baubestandteil unseres Körpers. Große Teile des Gehirns, des Nervengewebes und der Zellwände bestehen aus dem Blutfett. Cholesterin ist außerdem der Stoff, aus dem unser Körper Hormone bildet. Anders gesagt: Ohne das Blutfett wären wir nicht lebensfähig.
HDL und LDL – „gutes“ und „böses“ Cholesterin
Doch warum wird Cholesterin dann zum Risikofaktor? Ursache dafür sind nicht die Fettmoleküle selbst, sondern die Proteine, also die Eiweißbausteine, die das Cholesterin von und zu den Zellen transportieren. Je nach Größe oder Dichte lassen sich zwei Hauptuntergruppen von Cholesterin unterscheiden: das HDL- und das LDL-Cholesterin, Englisch abgekürzt für High- beziehungsweise Low-Density-Lipoprotein. Sie sind gemeint, wenn von „gutem“ beziehungsweise „bösem“ Cholesterin die Rede ist. Das HDL-Cholesterin gilt als „gutes Cholesterin“, weil es Cholesterin aus dem Blut in die Leber transportiert und damit den Anteil an gefäßschädigenden Fetten im Blut senken kann. Das LDL-Cholesterin wird auch als „böses“ Cholesterin bezeichnet, weil es Cholesterin in die Adern transportiert und dort freisetzt.
Aus dem LDL- und dem HDL-Wert setzt sich der Cholesterinwert zusammen. Ermittelt wird der Cholesterinwert beim „großen Blutbild“, das die Krankenkassen bei Menschen ab 35 Jahren alle zwei Jahre bezahlen. „Der entscheidende Risikofaktor ist allerdings weniger das Gesamtcholesterin, sondern wie hoch das LDL-Cholesterin ist“, erklärt Christian Herdeg, Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Kreislauferkrankungen der medius Klinik Ostfildern-Ruit. Denn das in den Arterien freigesetzte, überschüssige LDL-Cholesterin lagert sich an den Gefäßwänden ab und führt langfristig dazu, dass sich diese verdicken oder entzünden. Vereinfacht gesagt: Ein hohes HDL-Cholesterin ist günstig, ein hohes LDL-Cholesterin ist schlecht. Doch ab wann ist ein Cholesterinwert zu hoch?
Der Grenzwert für zu hohes Cholesterin ist individuell verschieden
„Es gibt nicht den einen Grenzwert, der für alle Menschen gleichermaßen gilt“, erläutert der Kardiologe Herdeg. Ein Cholesterinspiegel von 200, der für die schlanke Mitvierzigerin ohne Vorerkrankungen noch akzeptabel ist, ist für den sechzigjährigen Herzpatienten viel zu hoch. Es gilt also, Risikogruppen zu identifizieren: Dazu zählen beispielsweise Menschen, die schon einmal ein Arteriosklerose-Ereignis wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten; aber auch Diabetiker, weil ein zu hoher Blutzuckerspiegel die Blutgefäße angreift. „Hier gelten für das Cholesterin so niedrige Grenzwerte, dass sie in aller Regel nur über Cholesterinsenker zu erreichen sind“, betont Herdeg. Für Menschen ohne Vorerkrankungen kann der Hausarzt mit dem Cholesterinwert beim Check-up das individuelle Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen bestimmen.
Risikofaktoren, die den Grenzwert für das Cholesterin beeinflussen:
- Rauchen
- Bewegungsmangel
- Bluthochdruck
- Übergewicht
- Geschlecht (Die weiblichen Hormone wirken gefäßschützend, weil sie das HDL-Cholesterin erhöhen und das LDL-Cholesterin senken.)
- Alter (Frauen in der Menopause verlieren diesen Schutz.)
Aus den unterschiedlichen Parametern ermittelt der Risikorechner, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person in den nächsten zehn Jahren einen Schlaganfall oder Herzinfarkt bekommt. Ist das Gesamtrisiko „moderat erhöht“, können Patienten versuchen, ihren LDL-Wert ohne Medikamente zu senken und den HDL-Wert zu erhöhen. Dabei hilft ein gesunder Lebensstil, der sich aus den Säulen Ernährung, Bewegung und veränderten Gewohnheiten zusammensetzt:
Mit einem gesunden Lebensstil Cholesterin reduzieren:
- Auf eine abwechslungsreiche, mediterrane Kost – auch Mittelmeerdiät genannt – setzen, mit Nüssen, Obst, viel Gemüse, pflanzlichen Fetten (enthalten kein Cholesterin) und Fisch.
- Nahrungsmittel einschränken, die viel Cholesterin enthalten: alle tierischen Fette, besonders Fleisch, Eier, Innereien und Wurst.
- Regelmäßige körperliche Bewegung in den Alltag einbauen, denn das steigert das HDL-Cholesterin und hilft, überschüssige Kilos zu verlieren.
- Auf sein Körpergewicht achten.
- Nicht rauchen.
Ein gesunder Lebensstil ist die Basis von allem; seine Wirkung auf den Cholesterinspiegel ist dennoch begrenzt. Das liegt daran, dass der Cholesterinwert eines Menschen eine genetische Komponente hat. Aus Sicht von Professor Herdeg liegt darin das Hauptmissverständnis beim Thema Cholesterin: „Die meisten Menschen glauben, Cholesterin komme ausschließlich über die Nahrung in unseren Körper und sie müssten nur weniger Fett essen, um ihren Cholesterinspiegel zu senken. Das ist aber nicht so.“ Denn bei diesem, für unseren Körper so lebenswichtigen, Stoff verlässt sich dieser nicht darauf, dass er das Blutfett allein über die Nahrung bekommt: Vielmehr stellt er den größten Teil des Cholesterins selbst her – und zwar in der Leber als der zentralen Fabrik unseres Körpers. Sie produziert zwischen 75 und 90 Prozent des Cholesterins – wieviel genau ist genetisch festgelegt. Heißt im Klartext: Wenn mein Vater oder meine Mutter einen hohen Cholesterinwert hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch ich selbst erhöhte Werte habe. Eine Tatsache, der mit Ernährungsumstellung nur begrenzt beizukommen ist. Denn sobald die Leber bei einer fettreduzierten Kost merkt, es ist weniger Cholesterin im Blut, kurbelt sie die LDL-Produktion an.
Gut erforscht – die Wirksamkeit von Statinen
Um den Überschuss an LDL loszuwerden, nehmen in Deutschland mehr als fünf Millionen Menschen Statine. Das Medikament hemmt ein Enzym, das in der Leber für die Cholesterinbildung verantwortlich ist. Die Wirksamkeit von Statinen ist gut erforscht und in großen internationalen Studien belegt, wie der Herzspezialist Herdeg betont: „Für kaum eine andere Substanz ist es so absolut klar bewiesen, wie segensreich diese Medikamente wirken. Mit ihnen lassen sich harte Endpunkte wie Sterblichkeit, Herzinfarkt oder Schlaganfall weiter senken.“ Ein Segen sind Statine vor allem für Menschen mit einer familiären Hypercholesterinämie. Bei dieser ererbten Stoffwechselstörung ist ein Eiweißbaustein genetisch so verändert, dass er seine eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen kann: schädliches LDL-Cholesterin aus dem Blut zu fischen. Die Folge sind stark erhöhte Cholesterinwerte und ein im Vergleich zu anderen Menschen zehn- bis dreizehnmal höheres Risiko für Herzerkrankungen. Neben den Statinen sind in den vergangenen Jahren weitere Präparate dazugekommen:
Weitere Wirkstoffe gegen zu hohes LDL-Cholesterin:
- Ezetimib hält Cholesterin im Darm zurück und verhindert, dass ein Teil des Blutfetts wieder in den Blutkreislauf aufgenommen wird.
- Bembeduinsäure hemmt ein Enzym, das bei der Cholesterinbildung in der Leber beteiligt ist.
- Antikörper, die alle zwei Wochen gespritzt werden, schalten gezielt das Eiweiß aus, das die Leber daran hindert, LDL-Cholesterin aus dem Blut zu entfernen.
- mRNA-basierte Lipidsenker, die alle sechs Monate gespritzt werden, funktionieren ähnlich.
- Eine Einmal-Impfung, die dauerhaft das LDL senken soll, ist hingegen noch Zukunftsmusik.
Erhöhte Cholesterinwerte lassen sich heutzutage also gut behandeln. Voraussetzung ist jedoch, dass man seinen Cholesterinwert und das individuelle Risiko kennt. Je nachdem, wie hoch dieses ist, sind Cholesterinsenker das Mittel der Wahl. Doch die Basis für alles sind eine ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung.
Mehr Informationen und viele nützliche Tipps bietet die Broschüre „Cholesterin? Arterienverkalkung!“ der Bosch BKK.