Sonne macht glücklich
Fotos: Adobestock Brian, Halfpoint, RFBSIP, Melisa Popanicic, Mauritius Images
Die Sonne steuert mit ihrem Licht unseren Biorhythmus. Bekommen wir zu wenig davon ab, können wir aus dem Takt geraten. Gerade in den Wintermonaten fühlen wir uns oft müde und antriebslos. Was tun gegen Lichtmangel?
Wie beeinflusst uns die Sonne?
Licht ist Leben. Die Sonne verwöhnt uns täglich damit: an einem strahlenden Sommertag mit einer Beleuchtungsstärke von 100.000 Lux, an einem trüben Wintertag immerhin noch mit 7.000 Lux. Ab etwa 2.000 Lux ist Licht für den Körper biologisch wirksam: Sonnenlicht sorgt dafür, dass wir uns wohlfühlen, gesund und leistungsfähig bleiben und gut schlafen. Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution an den Zyklus von Tag und Nacht, Sommer und Winter angepasst und diesen in seinem Biorhythmus verinnerlicht. Der Wechsel zwischen Hell und Dunkel ist der wichtigste Taktgeber dieser inneren Uhr.
Wie wird unsere Uhr gestellt?
2002 entdeckten Wissenschaftler spezielle Ganglienzellen in der Netzhaut des Auges: Fotorezeptoren, die das Pigment Melanopsin enthalten, das sehr sensibel auf die Blauanteile im Tageslicht reagiert und die Reize ans Gehirn weiterleitet: an den Hypothalamus, der das vegetative Nervensystem steuert, an die hormonproduzierende Zirbeldrüse und an den suprachiasmatischen Nucleus, der den sogenannten circadianen 24-Stunden-Rhythmus koordiniert. Die Hell-Dunkel-Reize steuern über die Ausschüttung der Botenstoffe Cortisol und Melatonin unseren Wach- und Schlafrhythmus. Helligkeit am Morgen kurbelt die Produktion des Stresshormons Cortisol an, wir werden munter. Der Einbruch der Dunkelheit ist ein Signal für die Zirbeldrüse, Melatonin auszuschütten. Die innere Uhr schaltet auf Nachtbetrieb, wir entspannen und werden müde.
Warum macht uns die Sonne so glücklich?
Strahlt die Sonne, werden wir vom Glückshormon Serotonin geflutet, seine Produktion wird über Augen und Haut angeregt. Es wirkt stimmungsaufhellend und unterstützt den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Serotonin hat einen wichtigen Helfer: Vitamin D, das den Spiegel des Botenstoffs zusätzlich steigen lässt. Der Körper synthetisiert Vitamin D über die UV-B-Strahlung der Sonne auf der Haut. Von März bis Oktober reicht in Mitteleuropa ein mittägliches zehn- bis 30-minütiges Sonnenbad von Gesicht, Hals, Unterarmen und Händen. In der lichtarmen Jahreszeit, von November bis Februar, ist die Strahlungsintensität in unseren Breiten zu gering. Da Vitamin D jedoch im Körper gespeichert wird, können wir auch im Winter noch davon zehren.
Wie kommt es zu einer Winterdepression?
Viele Menschen leiden in der lichtarmen Jahreszeit unter Antriebslosigkeit und kommen morgens nicht aus dem Bett – die innere Uhr tickt nicht mehr richtig. Experten argumentieren zwar, dass dieser müde Zustand eine natürliche Reaktion unseres Körpers sei: Wir wollen in den „Winterschlaf“ gehen (dürfen aber nicht). Einige leiden jedoch so unter der Lichtarmut, dass sie eine saisonal abhängige Depression (SAD) entwickeln, deren Symptome sich erst im Frühjahr wieder bessern. In Deutschland sind schätzungsweise fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung von SAD betroffen, in den Nordländern mit ihren langen Polarnächten liegen die Zahlen noch höher. Doch nicht jeder reagiert so sensibel auf das reduzierte Tageslicht. Die Dosis, die notwendig ist, um Biorhythmus und Hormonsystem im Lot zu halten, variiert individuell. Bei SAD geht man zudem von einer Fehlfunktion der Lichtrezeptoren auf der Netzhaut aus. Die Folgen: Die Muntermacher Cortisol und Serotonin werden nicht mehr ausreichend gebildet, der Müdemacher Melatonin übernimmt die Regie. Gerade ein niedriger Serotoninspiegel gilt als Ursache für die meisten Depressionen.
Wie können wir Licht in unser Leben bringen?
Natürlich spielen auch unsere Lebensgewohnheiten eine Rolle. Wir verbringen mittlerweile einen Großteil des Tages in Innenräumen – beleuchtet mit schlappen 500 Lux. Gerade wenn die Tage kälter und kürzer werden, sollten Stubenhocker täglich mindestens 30 Minuten Spazierengehen und dabei ab und zu gen Himmel schauen – ohne Sonnenbrille! Morgens bis mittags tankt man am meisten biologisch wirksames Licht. Wenn sich trotzdem ein Winterblues oder gar eine depressive Verstimmung einschleicht, hilft eine Lichttherapie. Spezielle Tageslichtlampen produzieren kurzwelliges Licht mit Stärken bis zu 10.000 Lux. Eine morgendliche, etwa halbstündige „Lichtdusche“ bringt den Körper in Schwung – dabei reicht es aus, etwa drei bis vier Mal eine Minute lang direkt in die Lampe zu schauen. Vor dem Start in die Lichttherapie sollte jedoch ein Augenarzt Erkrankungen des Sehorgans ausschließen.
Wie viel künstliches Licht vertragen wir?
Über 200.000 Jahre lang erhellte der Homo sapiens mit Feuer die Dunkelheit – bis vor rund 150 Jahren das Zeitalter der elektrischen Beleuchtung begann und die Nacht zum Tag machte. Verkehrte Welt: Der moderne Mensch bekommt nun tagsüber zu wenig und nachts zu viel Licht ab – gar nicht gut für den Biorhythmus! Dabei ist der gelb-rötliche Lichtanteil der Glühbirne noch harmlos. Insbesondere das kühlweiße, blaue LED-Licht in Bildschirmen sendet die falschen Signale an unseren Körper. Wer nachts im Bett noch in sein Smartphone schaut, wird so richtig schön wach. Aber der Mensch ist erfinderisch. Es gibt Apps, die das Licht digitaler Geräte entsprechend des täglichen Sonnenverlaufes verändern: von Blau zu Gelb-Rot. Das Handy leuchtet abends dann im Lagerfeuermodus.