Schmerzmittel – Was hilft wann?
Text: Brigitte Bonder; Fotos: Adobe Stock/Krakenimages.com, Adobe Stock/Snejana, Adobe Stock/Prostock-studio, Adobe Stock/leszekglasner
Ob Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac – viele Menschen haben rezeptfreie Schmerzmittel im Hause. Bei der Wirkweise gibt es jedoch große Unterschiede.
Bei lästigen Kopfschmerzen mal eben eine Paracetamol nehmen oder eine „Ibu“ gegen die schmerzhafte Zerrung beim Sport einwerfen – im Alltag greifen wir oft ohne Hemmungen zu rezeptfreien Schmerzmitteln. Wohl in jedem Haushalt liegen die Medikamente im Arzneischränkchen bereit und gehen in Apotheken tagtäglich über den Ladentisch. Dabei wissen die wenigsten Patienten um die Unterschiede in der Wirkweise und kennen auch mögliche Nebenwirkungen nicht. Eine Beratung durch Arzt oder Apotheker ist daher sinnvoll.
Entzündungshemmer bei Kopf- oder Gliederschmerzen
Zu den bekanntesten Wirkstoffen bei rezeptfreien Schmerzmitteln zählen Diclofenac, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure, die sogenannten nichtsteriodalen Antirheumatika (NSAR). Der Begriff stammt noch aus einer Zeit, als mit diesen Substanzen Patienten mit rheumatoider Arthritis behandelt wurden. „Die NSAR führen eine schmerzlindernde Wirkung über die Hemmung von Entzündungsreaktionen herbei“, erklärt PD. Dr. Michael A. Überall, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. Der Einsatz dieser rezeptfreien Schmerzmittel ist also genau dann sinnvoll, wenn die Ursache der Beschwerden eine Entzündung ist. „Das ist beispielsweise bei akuten Kopfschmerzen und Gelenk- oder Rückenschmerzen der Fall.“ Aus diesem Grund gehören niedrig dosierte NSAR in Deutschland auch zu den am häufigsten in Apotheken rezeptfrei abgegebenen Arzneimitteln.
Als Klassiker bei Kopfschmerzen gilt der Wirkstoff Acetylsalicylsäure – kurz ASS. Spannungskopfschmerzen und selbst Migräne lassen sich oftmals gut behandeln, sie lindern jedoch nur die Schmerzempfindung und bekämpfen nicht die eigentliche Ursache. ASS wirkt zudem fiebersenkend und kommt daher auch bei Erkältungen oder Grippeerkrankungen zum Einsatz. Vorsicht ist bei Zahn- oder Regelschmerzen geboten, da der Wirkstoff die Blutgerinnung hemmt. Hier zeigt sich Ibuprofen im Vorteil, das zudem eine bessere antientzündliche Wirkung hat und insbesondere bei Muskel- und Gelenkschmerzen, aber auch bei Kopfweh oder Mittelohrentzündungen geeignet ist. Im Gegensatz zu ASS darf der Wirkstoff in passender Dosierung auch Schwangeren oder Kleinkindern gegeben werden. Typische Anwendungsgebiete für Diclofenac sind Sportverletzungen, wie Verstauchungen, Zerrungen oder Prellungen. Der Wirkstoff ist auch in Form von Salben erhältlich und kann lokal gut angewendet werden.
Schmerzen über das Nervensystem ausschalten
Im Gegensatz zu diesen NSAR wirken sogenannte Nichtopioidanalgetika – kurz NOPA – unabhängig von Entzündungsreaktionen. Das bekannteste Beispiel ist Paracetamol. Bei diesem rezeptfreien Schmerzmittel ist der antientzündliche Effekt eher schwach ausgeprägt, es entfaltet seine Wirkung vielmehr über das Nervensystem. „Bei korrekter Anwendung kann Paracetamol durch seinen zentralen Angriffspunkt und das sehr gute Nebenwirkungsprofil für viele Situationen der schmerzlindernden Eigenbehandlung als Mittel der Wahl angesehen werden“, weiß Dr. Überall. „Sicherheit und Verträglichkeit der Anwendung werden grundsätzlich jedoch bei all diesen Arzneimitteln durch die eingesetzten Wirkstoffmengen und die Behandlungsdauer definiert, weshalb die in den Patienteninformationen der verschiedenen Produkte genannten Mengenangaben und Zeitfenster berücksichtigt werden sollten.“ Jenseits der Eigenbehandlung stehen dann für die häufigsten Schmerzformen auch rezeptpflichtige Alternativen zur Verfügung.
Vorsicht vor Nebenwirkungen
Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Diclofenac, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure hemmen ein körpereigenes Enzym, die sogenannte Cyclooxygenase. In der Folge wird die Bildung bestimmter Entzündungsmediatoren verhindert, die bereits in geringen Mengen die Schmerzrezeptoren reizen und eine Schmerzwahrnehmung auslösen können. Dieses Enzym spielt jedoch nicht nur bei definierten krankhaften Prozessen eine Rolle, sondern auch bei vielen natürlichen beziehungsweise physiologischen Abläufen im Körper. Beispiele sind der Schutz von Magen und Darm vor der Wirkung der Magensäure, die Blutdruckregulation, die Nierenfunktion, die Blutgerinnung und die Regulation des Schlaf-Wach-Zyklus. Bei Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen beziehungsweise Gesundheitsproblemen kann es deshalb auch bei der kurzzeitigen Einnahme geringer Mengen dieser Arzneimittel zu mitunter schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen kommen. Diese können von Magenschleimhautreizungen, Magengeschwüren oder Magenblutungen über Blutdruckkrisen und Blutungsneigung hin zu Herzinfarkt oder Nierenversagen reichen. Der Einsatz dieser rezeptfreien Schmerzmittel im Alltag kann also durchaus zweischneidig sein. „Paracetamol ist diesbezüglich sicherlich grundsätzlich sehr viel besser verträglich, birgt aber das Risiko, dass es wegen seiner fehlenden Entzündungshemmung und der dadurch mitunter schwächeren Wirkung tendenziell überdosiert wird“, warnt der Schmerzexperte. „Und durch die höhere Dosis und die höhere Menge an Abbauprodukten besteht dann wiederum die Gefahr toxischer Nebenwirkungen auf den Leberstoffwechsel.“
Vorsicht vor unkontrollierter Einnahme
Die beliebten rezeptfreien Schmerzmittel sind also keineswegs identisch und sollten nicht nach persönlichen Vorlieben einfach eingenommen werden. Grundsätzlich gilt, dass ohne ausreichende Informationen zu Wirkweise, sinnvollem Einsatzgebiet und möglichen Nebenwirkungen sowie bei vorbestehenden Grunderkrankungen keinerlei Wirkstoffe ohne ärztlichen Rat eingenommen werden sollten. Das gilt auch für apothekenpflichtige, aber rezeptfreie Medikamente. Denn diese unterscheiden sich von rezeptpflichtigen Schmerzmitteln nur dadurch, dass die in den einzelnen Tabletten befindlichen Wirkstoffmengen und die Anzahl der Tabletten je Packungseinheit geringer sind.
Für alle diese apothekenpflichtigen, aber eben rezeptfreien Wirkstoffe gilt: Sie sind hinsichtlich Dosis und Dauer der Einnahme nebenwirkungsarm und sicher, wenn man sie bestimmungsgemäß anwendet . Aufgrund ihrer insgesamt geringeren Wirkstoffmenge zeigt sich jedoch mitunter nicht immer die erwünschte Wirkung. Probleme können auftreten, wenn Patienten kritische Begleiterkrankungen haben, von denen sie eventuell noch gar nichts wissen. „Risiken drohen auch dann, wenn Patienten aufgrund dieser – aus ihrer Sicht – zu geringen Wirkung die empfohlenen Mengen beziehungsweise die empfohlene Anwendungsdauer überschreiten“, warnt der Experte. „Sollte dies notwendig werden, so ist in jedem Fall fachkundiger Rat entweder bei einem Apotheker oder bei einem Arzt einzuholen.“