Schilddrüse: Klein, effektiv, störanfällig
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Mit nur 20 bis 30 Gramm ist die Schilddrüse ein Leichtgewicht, das im Körper zentrale Aufgaben übernimmt. Erkrankt das Organ, hat das weitreichende Folgen.
Die Anatomie der Schilddrüse (Glandula thyreoidea) gleicht der eines Schmetterlings: Unterhalb des Kehlkopfs vor der Luftröhre gelegen, umschließt sie diese mit zwei Seitenlappen, den „Flügeln“. Die relativ kleine Schilddrüse hat eine große Bedeutung für den Körper: Sie produziert und speichert die Hormone Trijodthyronin (T3), Thyroxin (T4) und Kalzitonin und steuert damit komplexe Stoffwechselvorgänge im Körper. Insbesondere die Schilddrüsenhormone T3 und T4 haben es in sich: Sie regulieren Herzschlag, Blutdruck sowie Körpertemperatur, fördern den Abbau von Fetten, Eiweißen und Kohlenhydraten und beeinflussen somit das Herz-Kreislaufsystem sowie den Energiestoffwechsel. Auch die geistige Entwicklung von Ungeborenen und Kindern hängt von der richtigen Menge der beiden Schilddrüsenhormone ab. Über das Hormon Kalzitonin reguliert die Schilddrüse speziell den Kalzium- und Phosphathaushalt und spielt damit eine entscheidende Rolle beim Knochenstoffwechsel.
Störungen im System
In welcher Menge Schilddrüsenhormone produziert und dem Körper zur Verfügung gestellt werden, wird von übergeordneten Stellen im Gehirn, im Hypothalamus und in der Hypophyse, geregelt. Arbeiten diese rückgekoppelten Regelzentren nicht korrekt, kann es zu Fehlfunktionen kommen. Aber auch das Schmetterlingsorgan selbst ist anfällig für Störungen. Bildet es zu wenig Hormone (Hypothyreose), verlangsamt dies die Stoffwechselvorgänge im Körper und verringert die Leistungsfähigkeit. Betroffene klagen oft über Müdigkeit, depressive Verstimmungen oder Gedächtnisprobleme. Sie frieren häufig, leiden an Verstopfung und Gewichtszunahme. Eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) kann sich hingegen in vermehrtem Schwitzen, Gewichtsverlust, Nervosität und Schlafstörungen äußern. Die Symptome sind oft unspezifisch, zeigen sich zunächst nur schleichend und können daher schlecht zugeordnet werden. Funktionsstörungen der Schilddrüse treten mit fortgeschrittenem Lebensalter auf, häufig aber auch in Phasen, in denen das Hormonsystem einem Wechsel unterworfen ist – etwa Pubertät, Schwangerschaft und Wechseljahre. Dies ist wohl auch ein Grund, warum Frauen in etwa fünf Mal häufiger betroffen sind als Männer.
Die elementare Rolle von Jod
Ohne Jod kann die Schilddrüse keine T3 und T4 Hormone bilden. Da der Körper das Spurenelement nicht selbst herstellen kann, müssen wir es gerade in Gebieten mit Jodmangel verstärkt über Nahrungsmittel oder Präparate zu uns nehmen. Denn bekommt die Schilddrüse zu wenig Jod, kann sich ein Kropf (Struma diffusa) ausbilden – das Organ vergrößert sich, um den Mangel auszugleichen. Ein Kropf ist nicht nur eine ästhetische Beeinträchtigung, er kann zu einem lästigen Druck auf den Hals und zu Schluck- und Atembeschwerden führen. Ebenso wie bei den Schilddrüsenknoten (Struma nodosa), die entstehen, wenn einzelne Areale des Organs anwachsen. Schätzungen zufolge leiden etwa 30 Prozent der Deutschen daran. So genannte „heiße Knoten“ (autonomes Adenom) produzieren selbsttätig Hormone, sie unterliegen nicht mehr dem Regelkreis des Gehirns – es kommt zu einer Überfunktion. „Kalte Knoten“ können sich aus Zysten oder Entzündungen der Schilddrüse entwickeln, sie liefern zwar keine oder kaum Hormone, wenn sie jedoch entarten, kann dies zu Schilddrüsenkrebs führen.
Wenn das Organ chronisch entzündet ist
Neben Jodmangel spielen vor allem Autoimmunerkrankungen eine Rolle, wenn das Schmetterlingsorgan nicht mehr so funktioniert, wie es soll. Hier greift das körpereigene Immunsystem das Schilddrüsengewebe an, es kommt zu einer chronischen Entzündung und irreparablen Schädigung – wie bei der so genannten Hashimoto-Thyreoiditis, bei der das Organ nach und nach seinen Dienst einstellt. Da eine Entzündung der Schilddrüse keine Schmerzen verursacht, bleiben die Symptome der Unterfunktion oft lange Zeit unbemerkt. Auch bei der so genannten Basedowschen Krankheit werden Antikörper gebildet. Diese veranlassen die Schilddrüse jedoch, verstärkt Hormone auszuschütten – es kommt zu einer Überfunktion. Diese tritt auch optisch in Erscheinung: durch einen vergrößerten Halsbereich sowie hervortretende Augäpfel. Als Ursache beider Autoimmunerkrankungen wird ein Zusammenspiel von Faktoren diskutiert: genetische Veranlagung, Infektionen durch Bakterien oder Viren, eine zu hohe Belastung mit Jod, hormonelle Umstellungen und psychischer Stress.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zur Diagnose kann über eine Blutuntersuchung der Hormonstatus und das Vorhandensein von Antikörpern festgestellt werden. Eine Szintigraphie – das ist ein bildgebendes Untersuchungsverfahren – gibt Aufschluss über die Stoffwechselaktivität der Schilddrüse. Durch Abtasten des Halses beim Arzt oder einem Ultraschall (Sonographie) können Vergrößerungen und Knoten lokalisiert werden. Da Schilddrüsenerkrankungen zu einem gewissen Grad erblich bedingt sind, macht eine frühzeitige Voruntersuchung bei familiären Belastungen Sinn. Eine Schilddrüsenunterfunktion ist gut mit synthetischen Thyroxin behandelbar, dabei wird die Dosis des Medikaments Schritt für Schritt erhöht, bis wieder Normwerte erreicht werden. Auch Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis bekommen derartige Präparate verabreicht – dies dann allerdings lebenslang, da die Erkrankung nicht heilbar ist. Eine Überfunktion kann mit Thyreostatika-Präparaten gehemmt werden. Bleibt eine dauerhafte Besserung aus, bedient man sich häufig der Radiojodtherapie, bei der sich radioaktives Jod in krankhaftes Schilddrüsengewebe einlagert und es gezielt zerstört. Oftmals hilft jedoch nur noch eine Operation. Durch einen chirurgischen Eingriff werden Kröpfe verkleinert, Knoten und Gewebeveränderungen entfernt.