„Wir brauchen den Mut, alte Zöpfe abzuschneiden“
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Der Artikel beleuchtet die Gründe für steigende Krankenkassenbeiträge und erklärt, vor welchen Herausforderungen das Gesundheitssystem steht. Er zeigt zudem, was die Bosch BKK unternimmt, um ihren Versicherten weiterhin hochwertige Leistungen zu bieten.
13.12.2024
Fotos: Verena Müller, Adobe Stock/contrastwerkstatt
Zum Jahreswechsel müssen fast alle gesetzlichen Krankenkassen ihre Beiträge anpassen – bei manchen war dies sogar bereits im Laufe des Jahres 2024 notwendig geworden. Auch die Bosch BKK muss ihren Beitragssatz nach zwei Jahren nun auf 2,68 Prozent erhöhen. Wir sprechen mit dem Vorstand Frieder Spieth zu den Hintergründen.
Herr Spieth, die Krankenkassenbeiträge steigen seit Jahren stetig an. Zum Jahreswechsel werden die Zusatzbeiträge so hoch sein wie nie. Woran liegt das?
Frieder Spieth: Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) steht tatsächlich vor enormen finanziellen Herausforderungen und auch 2025 vor einer großen Finanzierungslücke. Davon sind alle Krankenkassen betroffen. Steigende Ausgaben in der Gesundheitsversorgung und der demographische Wandel belasten die Kassen zunehmend. Hinzu kommen neue gesetzliche Anforderungen und Reformen, die teilweise mit erheblichen Mehrkosten verbunden sind.
Was genau treibt die Kosten denn so stark in die Höhe?
Frieder Spieth: Es gibt eine Vielzahl von Faktoren. Zum einen – wie bereits angesprochen – die Demographie und damit eine steigende Anzahl von Patienten, dann nachlaufende Kosten aus der Coronazeit. Zum anderen nehmen die Ausgaben für Arzneimittel, ärztliche Behandlungen und Krankenhausaufenthalte kontinuierlich stark zu. Ein Beispiel: Bei den Krankenhauskosten verzeichnen wir in den Jahren 2022 bis 2023 eine Steigerung um rund 9 Prozent. Das sind mehr als 16 Millionen Euro. Auch höhere Löhne für das Klinik- und Pflegepersonal lassen die Ausgaben steigen. Außerdem kommt es durch den medizinischen Fortschritt zu immer mehr Möglichkeiten, Krankheiten früher zu diagnostizieren und zu behandeln. Das ist natürlich positiv und wünschenswert, aber eben auch kostenintensiv.
Uns gesetzliche Krankenkassen hat die Politik dann noch zusätzlich unter Druck gesetzt: Finanzielle Reserven, die die Kassen für unvorhergesehene Kostensteigerungen zurückgelegt haben, mussten an den Gesundheitsfonds abgegeben werden. Vor allem Kassen, die wie wir vorausschauend wirtschaften, wurden hier über die Maßen belastet. Die Bosch BKK hat zum Beispiel 2021 rund 38 Millionen und in 2023 ca. 16 Millionen Euro der Rücklagen an den Gesundheitsfonds abführen müssen. Damit können die Kassen unerwartete Ausgaben nicht mehr ausgleichen, diese schlagen sich mehr oder weniger direkt im Beitragssatz nieder. Übrigens sind auch die privaten Krankenversicherer von dem so nicht vorhersehbaren starken Kostenanstieg betroffen. Laut Angabe des PKV-Verbandes werden deren Beiträge im Schnitt um 12 Prozent steigen.
Wie reagiert die Bosch BKK auf diese Entwicklungen?
Frieder Spieth: Wir versuchen, durch gezielte Maßnahmen unsere Ausgaben zu steuern und unsere Versicherten gesund zu halten. Dazu gehört das Thema Prävention, also die Förderung eines gesunden Lebensstils, um Krankheiten vorzubeugen. Mit unserem Bonusprogramm G-win für regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen oder für sportliche Aktivitäten schaffen wir finanzielle Anreize. Darüber hinaus sind unsere Haus- und Facharztverträge zu nennen. Diese sorgen für eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Bei den Verwaltungskosten konnten wir die Ausgaben im vergangenen Jahr senken und liegen unter dem Durchschnitt in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies alles ersetzt allerdings keine nachhaltige Finanzierung des Systems.
Gibt es Maßnahmen auf politischer Ebene, die Ihrer Meinung nach notwendig wären, um die GKV finanziell zu entlasten?
Frieder Spieth: Es gibt verschiedene Ansätze, die diskutiert werden. Hier wären zum Beispiel die hohen Preise für Arzneimittel auf den Prüfstand zu stellen. Eine Idee ist, die Mehrwertsteuer für Medikamente zu senken. Das würde die GKV um rund 4 Milliarden Euro entlasten. Ein weiterer Ansatz sind versicherungsfremde Leistungen. Hier muss sich der Staat aus Sicht der Krankenkassen stärker beteiligen.
Im Grunde müssen wir weg von einer reinen Kostendebatte. Im System selbst ist genug Geld da, es müsste nur effizienter ausgegeben werden. Das würde aber auch bedeuten, dass wir den Mut haben, alte Zöpfe abzuschneiden. Wenn wir Anreize für eine effizientere Versorgung schaffen und uns auf die Behandlungsqualität fokussieren – etwa durch verstärkte Digitalisierung und Telemedizin.
Sie sprechen Digitalisierung an. Wie kann diese zur Kostensenkung beitragen?
Frieder Spieth: Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, Kosten zu senken und die Versorgung zu verbessern. Sie darf aber kein Selbstzweck sein, sondern muss immer vom Nutzer her gedacht werden: Beispielsweise kann die elektronische Patientenakte die Kommunikation zwischen Ärzten verbessern und Doppeluntersuchungen vermeiden. Außerdem können Versicherte in unserem Online-Kundenportal viele Verwaltungsaufgaben selbst erledigen. Das ist für beide Seiten von Vorteil.
Wie sieht es mit den Beiträgen der Versicherten aus? Müssen die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft mit höheren Kosten rechnen?
Frieder Spieth: Leider ja, das ist aktuell die Realität. Die Beitragssätze werden vermutlich weiter ansteigen müssen, um die steigenden Kosten zu decken. Die Politik wird hier kurzfristig nichts ändern. Auch wenn wir versuchen, die Belastungen für die Versicherten so gering wie möglich zu halten, lässt sich das nicht ganz verhindern. Wichtig ist uns jedoch, dass die Versicherten für ihren Beitrag auch eine hochwertige Versorgung erhalten.
Wie stellt sich die Bosch BKK in diesen herausfordernden Zeiten auf? Was kann sie den Versicherten bieten?
Frieder Spieth: Wenn man bedenkt, dass viele der Leistungen bei allen Kassen gleich sind, weil gesetzlich geregelt, dann ist das eine gute Frage. Dennoch bieten wir unseren Versicherten mit unseren individuellen Mehrleistungen viele Vorteile. Da ist zum einen der Online-Arzt. Stellen Sie sich vor, Sie sind im Ausland und brauchen spät abends einen Arzt. Der Online-Arzt ist 24/7 per Videosprechstunde für unsere Versicherten da. Oder das Kind fiebert am Wochenende. Da auch Kinderärztinnen und Kinderärzte bei unserem Partner TeleClinic praktizieren, müssen Sie nicht in die Notfallpraxis, sondern können von zu Hause ärztlichen Rat einholen. Mit dem Online-Arzt lassen sich innerhalb kürzester Zeit auch Hautveränderungen abklären.
Auch sind wir als Krankenkasse vor allem stark, wenn es darum geht, unsere Mitglieder optimal zu versorgen, wenn sie krank sind. Denken Sie dabei zum Beispiel an ambulante Operationen, für die wir besondere Verträge abgeschlossen haben, unser Zweitmeinungsprogramm oder innovative Krebstherapien wie das Cyberknife. Nicht zu vergessen unsere Patientenbegleitung, die bei Bedarf unterstützt. Ein weiteres Beispiel ist Selfapy. Wer unter psychischen Belastungen leidet, muss meist lange auf einen Therapieplatz warten. Genau hier greift das Programm: mit Online-Kursen, die Strategien der kognitiven Verhaltenstherapie vermitteln.
Zusätzlich investieren wir bei Bosch in betriebliche Gesundheitsförderung mit verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören auch Kampagnen wie 2024 „Iss was?“, die das Thema „Gesunde Ernährung“ hatte. 2025 widmen wir uns vor allem den Bereichen „Bewegung“ und „Psychische Gesundheit“ mit Angeboten für viele Boschlerinnen und Boschler.
Neben den digitalen Services, die uns das Leben erleichtern, braucht es zudem gerade in diesem sensiblen Bereich Gesundheit echte Menschen, die zuverlässig sind, mir zuhören, mich beraten und auch in schwierigen Zeiten begleiten. Hier sind wir mit unseren persönlichen Ansprechpartnern für unsere Kunden und Versicherten da.
Vielen Dank für Ihre offenen Worte.