Helden mit Humor
Text: Sabine von Varendorff Foto: Rote Nasen e.V.
Wenn die Clowns der Roten Nasen in den Pflegeheimen der Samariterstiftung zu Besuch kommen, wird der Alltag dort gleich ein wenig bunter.
Die Welt von Egon Schultze* ist klein geworden: das Pflegebett, der Blick an die Decke seines Zimmers und, wenn er die Kraft hat, seine Augen zu öffnen, ein Stück vom blauen Himmel. Seit einem Schlaganfall ist er pflegebedürftig und wird palliativ versorgt. Der 88-Jährige, der früher so gern Musik gemacht hat, hat sich selbst verloren. Und doch: Er ist in seiner Einsamkeit erreichbar. Rote-Nasen-Clowns besuchen ihn und andere Bewohnerinnen und Bewohner seit Kurzem im Haus am Parksee in Leonberg, das zur Samariterstiftung gehört. Auch in die Samariterstifte in Zuffenhausen und Nufringen kommen demnächst die Clowns. Clowns in der Pflege – wie geht das zusammen? „Wunderbar, denn Lachen ist Ausdruck von Leben. Für den einen Moment, in dem gelacht wird“, sagt Reinhard Horstkotte, künstlerischer Leiter bei Rote Nasen e. V.
Spontan und einfühlsam zugleich
Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit der Kraft des Humors zu stärken und ihnen Mut und Lebensfreude zu schenken. Den Weg in die Samariterstifte in Leonberg, Nufringen und Zuffenhausen findet er dank des Engagements der Bosch BKK, die die Clown-Visiten für ältere Menschen fördert und einen Rahmenvertrag mit dem Verein Rote Nasen unterzeichnet hat. Das freilich ist nur das finanzielle Gerüst. Seitdem besuchen „Konschdanze“ und „Babbi“ alle zwei Wochen Stationen im Haus am Parksee. Sie gehen von Zimmer zu Zimmer: „Wir wissen nie, was uns erwartet, wenn wir die Tür öffnen“, sagt Konschdanze. Mit ihren Spitzenhosen unter dem grünen Rock, ihrem roten Wams und den roten Kringelzöpfen erinnert sie an das tapfere Schneiderlein aus dem grimmschen Märchen. Genauso schlagfertig ist sie allemal. Improvisationstalent und eine große Portion Einfühlungsvermögen, das braucht sie zusammen mit ihrer Clown-Kollegin. „Wir müssen uns aufeinander verlassen können“, versichert Konschdanze. Die Clowns inszenieren Dialoge, spielen sich die Bälle zu und nehmen die Reaktionen, selbst wenn sie noch so klein sind, feinfühlig wahr.
Clown sein ist eine Kunst
Dabei hilft ihnen ihre Ausbildung: Babbi war auf der Schauspielschule, bevor sie bei Rote Nasen zur Clownin geschult wurde. Konschdanze studierte bei der Tamala Clown Akademie. Am Bett von Egon Schultze treffen sie auf dessen Frau, die seit morgens um elf Uhr neben ihrem Mann sitzt. Die Clowninnen singen dem Mann ein Maienlied vor, in das die Ehefrau mit zaghafter Stimme einstimmt. Dann erinnert sie sich. An den Mann, der mit ihr gelebt hat, der fröhlich war und Harmonium gespielt hat. Sie erzählt und die Clowninnen hören ihr zu. Mit ihrer Lebensfreude öffnen die Clowns Türen zu den Herzen der Menschen. Was leicht und spielerisch erscheinen mag, ist die Arbeit von hoch qualifizierten Profis: Bei Rote Nasen werden die Künstler fünf Jahre als Clowns geschult und fortgebildet. Sie haben dabei gelernt, das Leben nicht zu ernst zu nehmen. Ein Clown tritt ständig in Fettnäpfchen, trotzdem kann er darüber lachen: „Oh Gott, ich soll doch jetzt Flöte spielen und finde sie in der großen Tasche nicht“, jammert Babbi und sucht fahrig in ihrem Handgepäck. Babbi und Konschdanze lachen sich gemeinsam mit dem Bewohner Arthur Venturo* über diese unangenehme Situation hinweg. Sie erfahren, dass der Name „Venturo“ aus Italien stammt, und stimmen sofort „Ti amo“ an. Sie singen, bis ihnen die Luft wegbleibt, und suchen dann nach dem Knopf, mit dem das „Geträller“ abgestellt werden kann. Stets wahren sie die Balance zwischen Ernst und Witz. Sie wackeln, bleiben hängen, stolpern. Doch als Clowninnen fangen sie sich wieder, rücken den Rock zurecht, zupfen an ihren Zöpfen und weiter geht es.
Echte Beziehung zu den Menschen
„Ich freu mich jedes Mal, wenn sie kommen“, erzählt Martha Becker*. Die 91-Jährige gibt Konschdanze gleich Ratschläge mit auf den Weg, wie man sich richtig anzieht. Weil sich Konschdanze und Babbi auf eine echte Beziehung zu den Menschen einlassen, ist Austausch möglich. Die Clowns schenken Freude und Lachen – und die alten Menschen ihnen ihre Lebenserfahrung und Lebensweisheit.
*Namen von der Redaktion geändert